Es war einmal ein alter Pullacher Gärtner, der hatte drei Lieblingsgemüse:
die beiden quirligen Radieserl-Schwestern. Und ihren Bruder, den langen, schlanken Radi.

Als der Gemüsegärtner starb, teilte er seinen schönen Gemüsegarten im Isartal auf:
Eine von den Radieserl-Schwestern bekam das sonnigste Beet im Garten, und die andere das schönste Eck am Brunnen – und der Radi?
Der bekam ein Paar leicht abgewetzte Lederstiefel.
„Ja super“, seufzte der Radi, „meine lieben Schwestern kriegen Land und Wasser – und ich krieg g’stinkerte Stiefel!“
Doch dann zog er die Stiefel an, stellte fest, dass sie wie angegossen passten, und sprach:
„Wartet‘s nur ab – mit diesen Stiefeln hol ich mir Ruhm und Ehre!“
Am nächsten Morgen stapfte der Radi in seinen Lederstiefeln in den schönsten Biergarten der Gegend. Dort kehrte auch oft der König ein.

Aus sich selbst schnitzte der Radi kunstvolle Radi-Rosen und wickelte sie in eine frische Biergartenserviette. Er überreichte sie dem König mit tiefer Verbeugung:
„Ein Geschenk von meinem Herrn, dem edlen Herrn von Brezenfels.“
Der König war entzückt.
Von da an brachte der Radi Tag für Tag neue Schmankerl – mal kunstvoll eingeschnittene Spiralen, mal feine Scheiben mit Salz und Pfeffer – immer im Namen des geheimnisvollen Herrn von Brezenfels.
Und die Radieserl-Schwestern kicherten hinterm Zaun: „Ja da schau her, unser Bruder gibt sich jetzt für einen feinen Herrn aus!“ Aber dem Radi war das Gespött egal – er machte einfach weiter.
Und eines Tages erfuhr der Radi, dass der König mit seiner Tochter im Biergarten vorbeischauen würde.
Er rief seinen vermeintlichen Herrn von Brezenfels (der war in Wahrheit einfach ein netter Biergartengänger, den der Radi mochte) und flüsterte:
„Spring in die Isar und tu so, als ob dir wer die Kleidung g’stohlen hätt.“ Als die königliche Kutsche nahte, schrie der Radi:
„Hilfe! Mein Herr von Brezenfels ertrinkt und ist ausgeraubt worden!“

Sofort ließ der König edle Gewänder bringen.
In diesen sah der „Herr von Brezenfels“ prächtig aus – und die Prinzessin lächelte mehr als einmal zu ihm hinüber.
Der prächtige Biergarten, an dem die Kutsche nun entlangfuhr, wurde allerdings gerade vom gefürchteten Obazda-Oger überfallen – einem riesigen, cremigen Käseschurken, der sich in jedes Lebensmittel verwandeln konnte.

Er war so speckig wie altes Wurstbrot, so würzig, dass selbst die Fliegen beim Näherkommen Tränen in die Augen bekamen.
Wenn er lachte, wackelte sein Bauch wie Pudding, und wenn er sprach, roch’s drei Bänke weiter nach Zwiebeln und Kümmel.
Kurz: ein Gegner, vor dem sich sogar die Hendl am Grill respektvoll wegdrehten.
Der Radi überlegte kurz. Er fühlte sich scharf wie noch nie. Und dann stapfte er schnurstracks zu ihm:
„Man sagt, du kannst dich in einen ganzen Leberkäs-Kasten verwandeln. Aber ich glaube das nicht.“
„Freile!“, rief der Obazde. „Ich werde es dir beweisen!“ – und wupp, stand da ein dampfender Leberkäs.
„Ok, nicht schlecht Aber kannst du dich auch in was ganz Kleines verwandeln? Ein winziges Pfefferkorn vielleicht?“
„Kinderspiel!“, prahlte der Oger – zack, war er ein unscheinbares, winziges Pfefferkorn in einer durchsichtigen Gewürzmühle.
Da schnappte sich der Radi die Mühle ganz schnell, und mahlte das Pfefferkorn auf eine Portion aufgeschnittenen Emmentaler eines Gastes – und der Oger ward nie mehr gesehen.
Als der König wenig später eintraf, verbeugte sich der Radi:
„Majestät, dies ist der herrliche Biergarten meines Herrn von Brezenfels.“ Der König war so beeindruckt, dass er ihn noch am selben Tag zu seinem Hoflieferanten ernannte.

Die Prinzessin und der Herr von Brezenfels heirateten bald darauf. Die Prinzessin zog mit einem Strauß Radi-Rosen zum Altar – und alle Gäste weinten Tränen, ob vor Rührung oder Schärfe, wusste keiner so genau.
Die beiden Radieserl-Schwestern bekamen ihre eigenen kleinen Beete mitten im königlichen Kräutergarten – und tratschten dort den ganzen Tag über die unglaublichen Abenteuer ihres Bruders.

Und der gestiefelte Radi? Er lebte fortan in Ruhm, Ehre – und mit einem eigenen Stammplatz im Biergarten.